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Wie Werte und Kultur den Erfolg generationenübergreifender Familienunternehmen sichern

Bewusste und ständige Pflege von gemeinsamen Werten bildet in vielen Familienunternehmen das Fundament für eine starke und resiliente Unternehmenskultur. Aber wie vereint man diese Werte und Kulturen generationenübergreifend? Ein Leitfaden.

Von Nicolas Stämpfli

Familienunternehmen sind einzigartig: Als grösster Arbeitgeber weltweit und starke wirtschaftliche Kraft im Grossteil aller Volkswirtschaften vereinen sie Werte wie langfristige Vision, Unternehmergeist, Gemeinschaftssinn und loyale Bindungen zu Familie, Mitarbeitern und Kunden. Familienunternehmen – speziell die Führungsspitze und die Besitzerfamilien – sind gerade bei generationenübergreifenden Themen besonders hellhörig, sind es doch häufig interfamiliäre Angelegenheiten. Sei es die Diskussion über Fragen wie die Einführung von Homeoffice für Mitarbeitende (der Vater, Verwaltungsratspräsident meint nein, die Tochter, frisch ernannte CEO, meint ja) oder über strategische Fragestellungen, welche im Verwaltungsrat behandelt werden. Nicht nur auf Verwaltungsrats-, Inhaber- und/oder Geschäftsführungsebene, der «Clash der Generationen» kann auch in der Werkstatt oder im Marketing-Team stattfinden. Verwaltungsräte in Familienunternehmen können intergenerationell aufgestellt sein: beispielsweise durch die Besetzung der Generation 2 (beratend, abtretend) und Generation 3 (geschäftsführend). Hier besteht besonders viel Konfliktpotenzial. Um Konflikte zu verhindern und generationenübergreifend erfolgreich und gestärkt zu agieren, sind einige Schritte zur Kreation und Abgleichung von Werten und Kulturen nötig.

Eine Studie von Egon Zehnder und FBN International1 definiert drei Modelle der transgenerationellen Führung in Familienunternehmen:

  • Modus 1: Zwei Generationen im Unternehmen – gemeinsame Werte, unterschiedliche Ansätze. Kommunikation und strategischer Austausch fehlen oft – ohne aktives Management droht eine Spaltung der Unternehmenskultur.
  • Modus 2: Generationenübergreifendes Team – offener Dialog und gemeinsame Weiterentwicklung. Ein bewusster Austausch über Werte und Strategien findet statt, unterschiedliche Perspektiven werden integriert.
  • Modus 3: Familiengeführtes Kulturmanagement – die nachfolgende Generation übernimmt. Die jüngere Generation ist am Ruder und gestaltet die Zukunft aktiv, während die ältere Generation unterstützend und beratend zur Seite steht.

Werte und Kulturen sollen in allen drei Modi vermittelt und angewendet werden. Die Koordination und Implementation könnte wie folgt verlaufen:

  1. Seien Sie sich der Präsenz von Werten und Kulturen innerhalb der Firma bewusst
    Stossen Sie diesen Prozess bewusst an. Rechnen Sie Zeit im Verwaltungsrat ein, um dieses Thema beim Namen zu nennen. Beide Generationen (strategisch und ausführend) müssen mitmachen.
  2. Definition der gemeinsamen Werte und Kulturen
    Definieren Sie gemeinsam die Werte und Kulturen des Familienunternehmens. Fügen Sie Werte hinzu, werfen Sie Werte über Bord. Hinterfragen Sie bestimmte Betriebskulturen. Diese Anpassung muss in regelmässigen Abständen erfolgen. Wir werden alle älter, oder die Geschäfte verändern sich: Passen Sie diese Werte ans Hier und Jetzt an. Kulturelle Differenzen kommen vor: Nennen Sie die Probleme, verhindern Sie Tabus.
  3. Dialog fördern und institutionalisieren – die Werte und Kulturen
    abgleichen Beispiele, in denen die ältere Generation der jüngeren Generation wenig oder nichts zutraut, gibt es einige in der Welt der Familienunternehmen. Stellen Sie sich, egal in welcher Generation Sie sich befinden, jeweils folgende Fragen:
    • Stimmen die aktuelle Betriebskultur und die Werte mit meinen eigenen überein?
    • Verhindere ich mit meiner Haltung gegenüber einem Wert oder einer Kultur der nächsten Generation etwas?

Wenn Sie die erste Frage mit Nein beantwortet haben, müssen Sie den Abgleich der Werte und Kulturen anschieben. Wenn Sie die zweite Frage mit Ja beantwortet haben, ebenfalls. Beide Generationen müssen jeweils Verständnis und Offenheit gegenüber der jeweils anderen Generation haben, nur so können Werte und Kulturen generationenübergreifend gelebt werden.

  1. Kultur- und Werteskalen definieren, erstellen und abgleichen
    Ein «Hands-on»-Tool zur Erarbeitung von Werten und Skalen und zum Abgleich zwischen Generationen können Werte- und Kultur-Skalen sein: Erstellen Sie einen Katalog von Werten und Betriebskulturen und richten Sie dementsprechend Skalen ein, beispielsweise von 1–10 («Inklusion ist uns wichtig», 1 = überhaupt nicht wichtig, 10 = sehr wichtig und prioritär). Gleichen Sie die Skalen miteinander ab, diskutieren Sie, weshalb es Differenzen gab – verhandeln Sie Kompromisse mit der älteren resp. jüngeren Generation, bis eine Lösung gefunden wurde, welche für alle Beteiligten stimmt. Vergleichen Sie den gefundenen Kompromiss mit der Firmenstrategie: Stimmt das überein? Dann sind Sie auf dem richtigen Weg, justieren Sie diese Skalen gleichzeitig, wie Sie Ihre Werte und Kulturen aktualisieren.
  2. Die definierten Werte und Kulturen bewusst vorleben
    Eine autoritäre Betriebskultur ist bei Ihnen «Usus» ? Dann predigen Sie nichts anderes. Halten Sie zu den definierten Werten und Kulturen, wenden Sie diese kategorisch an, leben Sie die neu definierten Werte und Kulturen vor. Bleiben Sie mit der Anwendung konsistent. Seien Sie sich bewusst: Sie als Mitglied in einer führenden Rolle oder als Inhaber sind ganz besonders unter Beobachtung. Alle Generationen müssen mithelfen.
  3. Und zum Schluss: Halten Sie den Zweikomponentenkleber für starke Werte und Kulturen bereit!
    Werte und Kulturen sind ähnlich wie Zweikomponentenkleber für Familienunternehmen: Sie halten die Familie, und somit auch die Familienunternehmen zusammen. Halten Sie den Kleber bereit: Stärken Sie beide Komponenten, wann immer es geht, und wenden Sie diese bewusst an. Gerade in Familienunternehmen werden strategische Themen teils am Mittagstisch diskutiert: Diskutieren Sie statt über die bevorstehende Generalversammlung über Werte und Kulturen innerhalb des Unternehmens. Zementieren Sie diese konsistent.

Die Durchführung eines Workshops zum Thema Werte und Kulturen und der sog. Zweikomponentenkleber könnten anhand folgender Vorgehensweisen stattfinden:

Strukturierte Dialoge und Workshops
Regelmässige, moderierte Treffen helfen, Werte, Visionen und Strategien zu klären. Themen wie Innovation oder Mitarbeiterführung werden diskutiert und in Aktionspläne überführt. Kulturelle Workshops können eine gemeinsame Unternehmensphilosophie definieren. Denken Sie daran: Diese muss regelmässig aktualisiert werden.

Generationenübergreifende Lernprogramme
Mentoring-Programme fördern den Austausch zwischen älteren und jüngeren Familienmitgliedern. Gemeinsame Weiterbildungen, Konferenzen und Branchenseminare stärken das Verständnis für Unternehmensführung und Markttrends.

Kulturmanagement und Governance-Strukturen
Ein formalisierter Kulturprozess mit einem generationsübergreifenden Komitee oder einer jährlichen Kulturprüfung kann helfen, Werte aktiv zu gestalten. Ein Familienrat und eine Familiencharta bieten klare Strukturen und Orientierung.

Offene Kommunikation und Zusammenhalt
Regelmässige Familientreffen ermöglichen den Austausch über Strategien, Herausforderungen und Erfolge. Sie stärken das Vertrauen und bewahren die Unternehmenskultur für kommende Generationen.

Fazit: Generationenübergreifendes und systematisches Management von Werten und Kulturen innerhalb eines Familienunternehmens sind essenziell, um schlussendlich eine erfolgreiche Übergabe an die nächste(n) Generation(en) zu garantieren und das Unternehmen langfristig weiterzuführen

FUSSNOTEN

1 Building a Winning Cross-Generational Culture in Family Business, E Yew, M. Meier, A. Libano-Daurella, A. du Roy de Blicquy, Egon Zehnder + FBN International, 2024.

Ausblick auf die kommenden Ausgaben
Ausgabe Monat
Nr. 6 Juni 2025 Geschäftsmodell – Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit
Nr. 7 Juli/August 2025 Diversität – Vielfalt schafft Fortschritt
Nr. 8 September 2025 Risiko – sicher navigieren

Nicolas Stämpfli

führt in 4. Generation die Weinkellerei Stämpfli AG in Laupen BE. Stämpfli ist Verwaltungsrat derselben sowie der Berner Weinmesse AG und Vorstandsmitglied von Family Business Network Switzerland – ein Verein für und von Unternehmerfamilien. Der Verein ist weltweit aktiv und umfasst in der Schweiz rund 500 Mitglieder. www.weinkellereistaempfli.ch

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