
Persönlichkeitskriterien bestehender Führungsteams werden bei der Rekrutierung oft vernachlässigt. Wie kann eine fundierte Einschätzung von Management-Teams zum Wettbewerbsvorteil werden? Was bedeutet das für den Gewinnungsprozess? Am Future Leadership Event in Glattbrugg sprachen Unternehmer und CHROs über ihre Erfahrungen.
Von Thomas Muhmenthaler und Martin C. Rusterholz
Simon Boss ist Inhaber und VRP eines IT-Dienstleisters, Martin Meier führt ein Unternehmen in der Baubranche. Beide haben erlebt, dass Fehlrekrutierungen in der Führungsebene geschäftskritisch sein können – sie kosten das Unternehmen nicht nur viel Geld, sondern unter Umständen auch den guten Ruf: «Es schadet der Reputation, wenn beispielsweise zweimal nacheinander der neu eingestellte CEO wieder geht», so Simon Boss. Martin Meier bestätigt: «Du kannst 25 Jahre lang Werte aufbauen und mit einer Fehlanstellung alles zunichtemachen.»
Durch Transparenz Fehlrekrutierungen vermeiden
Um möglichst sicher zu sein, dass die rekrutierte Führungspersönlichkeit die Werte des Unternehmens teilt und charakterlich ins bestehende Gremium passt, gehen Simon Boss und Martin Meier neue Wege. Statt nur Kandidierende zu assessieren, schickten sie die gesamte Führungsetage ins Assessment – Martin Meier schloss sich selbst mit ein. Potenziellen neuen Teamkolleginnen und -kollegen stellen sie die wichtigsten Erkenntnisse zur Verfügung.
Die Erfahrungen der beiden Unternehmen zeigen: Durch diese Transparenz schafft das Unternehmen Vertrauen und differenziert sich entscheidend von der Konkurrenz. Potenzielle Führungskräfte können viel besser einschätzen, ob sie ins Team passen und sich mit den Werten und Zielen der künftigen Kolleginnen und Kollegen identifizieren. Das Risiko einer Fehlbesetzung wird durch diesen transparenten Prozess deutlich reduziert.
Chance mit Risiken und Nebenwirkungen
Auch wenn die Vorteile einer Managementanalyse auf der Hand liegen: Was löst es bei gestandenen Führungspersonen aus, wenn sie ins Assessment geschickt werden?
Dazu Simon Boss: «Natürlich gab es Fragen und kritische Stimmen. Man muss aufzeigen, dass eine externe Sicht auf die eigenen Stärken und Schwächen eine wertvolle Chance ist, mehr über sich selbst zu erfahren. Das wurde akzeptiert und geschätzt.»
Früh Klarheit schaffen
Ein Assessment – sowohl des bestehenden Managements als auch der Kandidierenden – schafft einen guten Überblick, aber keine Garantie. Die Erfahrungen der beiden Unternehmen jedoch zeigen: Unternehmen, die Transparenz in ihren Executive-SearchProzess integrieren, schaffen Vertrauen, minimieren Risiken und stärken ihre Wettbewerbsfähigkeit. Die Identifikation und klare Kommunikation der gesuchten Fähigkeiten – kombiniert mit einer ehrlichen Analyse des bestehenden Teams – ermöglichen es Kandidatinnen und Kandidaten auf C-Level, sich bereits zu Beginn des Prozesses ein genaues Bild zu verschaffen.
Oft sind schon niederschwellige Massnahmen hilfreich. Reverse Interviews, eine SWOT-Analyse der GL oder eine Leadership-Matrix, den Lebenslauf und das Persönlichkeitsprofil des oder der Vorgesetzten offen darlegen, einen Business-Case gemeinsam lösen … die Möglichkeiten sind vielfältig.
«Wir legen grossen Wert darauf, dass sowohl Kandidaten als auch Kunden früh erkennen, ob nicht nur die fachlichen, sondern auch die persönlichen Ebenen zusammenpassen. Stimmt die Chemie nicht, brechen wir ab, und beide Seiten sparen wertvolle Zeit und Ressourcen.»
Thomas Muhmenthaler, Viavanta AG
Tipps für den Search-Prozess auf Executive Level
Selbst-Assessment und Unternehmensdarstellung kombinieren
Zeigen Sie auf, wie Ihre Führungsprinzipien und Teamdynamiken funktionieren. Legen Sie Herausforderungen und Entwicklungsfelder offen dar. Analysieren Sie die vorhandenen und fehlenden Kompetenzen in der Unternehmensführung und gleichen Sie diese mit den Anforderungen an Kandidierende ab.
Frühzeitige Transparenz etablieren
Geben Sie Einblicke in die strategischen Ziele und die Skills, die für die Steuerung des Unternehmens in die Zukunft erforderlich sind.
Gegenseitige Assessments ermöglichen
Erstellen Sie nicht nur ein Kandidatenprofil, sondern reflektieren Sie auch Ihr Unternehmen und das Management. So wird ein Abgleich der Werte und Kompetenzen transparent und greifbar. Überprüfen Sie, ob die Werte und Fähigkeiten der Kandidierenden mit den Anforderungen und der Unternehmenskultur übereinstimmen.
Individuelle Ansprache priorisieren
Gestalten Sie den Prozess flexibel und massgeschneidert, um die Wertschätzung und
Passung von Kandidaten sicherzustellen.
Kultur als strategisches Asset nutzen
Kommunizieren Sie klar, wie Ihr Unternehmen arbeitet und welche Werte Sie vertreten. Binden Sie Kandidierende aktiv in aktuelle Business-Cases und Entscheidungsprozesse ein. Kommunizieren Sie, wie die zukünftige Zusammenarbeit die Organisation nachhaltig stärken kann.
Assessments auf C-Level sensibel einsetzen
Nutzen Sie Assessments nicht nur zur Selektion, sondern in der Reflexion mit der eigenen Unternehmung und zur Entwicklung und zum Aufbau von Vertrauen.
Die wichtigsten Erkenntnisse aus den beiden Veranstaltungen zusammengefasst
Strategische Vorteile einer Managementanalyse
- Effizienz und Fokussierung: Ein frühzeitiger Abgleich zwischen Unternehmens- und Kandidaten-Skills spart beidseitig Zeit und Ressourcen und vermeidet Missverständnisse.
- Minimierung von Fehlbesetzungen: Die langfristige Passung hängt massgeblich davon ab, ob die Werte übereinstimmen. Unternehmen, die frühzeitig transparent kommunizieren, minimieren Fehlbesetzungen.
- Wettbewerbsvorteil: Unternehmen, die ihre Stärken und Schwächen offenlegen, positionieren sich als zukunftsorientierte Arbeitgeber, schaffen Vertrauen bei Spitzenkandidaten und heben sich vom Wettbewerb ab.
- Stärkung der Arbeitgebermarke: Kandidaten auf C-Level erwarten eine individuelle Ansprache und einen strukturierten Prozess, der ihre eigenen Kompetenzen und Zukunftsperspektiven mit den Anforderungen des Unternehmens abgleicht und Wertschätzung vermittelt.
«Auswahl-Assessments tragen nachweislich erheblich dazu bei, Fehlentscheidungen bei Personaleinstellungen zu reduzieren.»
Martin C. Rusterholz, CONVIDIS AG
Wenig Aufwand, grosse Wirkung
Die Diskussion mit den anwesenden CHROs zeigt: Ein Assessment gibt einen sehr detaillierten Einblick, ist aber nicht der einzige Weg. Manchmal reichen schon ganz einfache Methoden, um zu spüren, ob Kandidierende und Unternehmen zusammenpassen. Während die genannten Möglichkeiten einen subjektiven Eindruck geben, liefert ein professionelles Assessment eine wissenschaftlich fundierte und zugleich praxisorientierte Einschätzung.
Thomas Muhmenthaler
Thomas Muhmenthaler ist Managing Partner bei Viavanta. Als Schweizer Vertreter der weltweit grössten ExecutiveSearch-Allianz KESTRIA bieten er und sein Team Rekrutierungsdienstleistungen für Führungskräfte in über 40 Ländern. www.viavanta.ch
Martin C. Rusterholz
Martin C. Rusterholz begleitet mit dem AssessmentUnternehmen CONVIDIS Unternehmen bei der Auswahl und Entwicklung von Führungskräften und ManagementTeams. www.convidis.ch
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