
Wie erfolgreich Transformationen von Organisationen sind, hängt stark von den Leadershipqualitäten der Führungspersonen ab. Wer seine eigene Persönlichkeit gut kennt und systematisch daran arbeitet, ob Verwaltungsrat, CEO oder Teamleiter, kann situativ führen und wird eine Transformation von einer Organisation erfolgreich umsetzen können. Kennen Sie die vier Führungsmodelle? Wissen Sie, was bei Transformationen aus Leadershipperspektive zu beachten ist?
Von Matteo Aepli
Transformation ist zu einem zentralen Begriff in der Entwicklung von Organisationen geworden. Digitale Transformation, New Work, Internationalisierung sind nur einige konkrete Beispiele von Transformationen, die Organisationen durchlaufen können. Eine Transformation kann z.B. auch eine Sanierung eines Unternehmens sein. Was haben all diese Transformationen gemeinsam? Sie stellen besondere Ansprüche an Leadership, insbesondere von Verwaltungsräten, CEOs und Teamleitenden. Und dies in Zeiten, in denen junge Generationen teils komplett andere Vorstellungen von Organisation, Hierarchien und Führung haben. Deshalb gehört Leadership zu den bedeutendsten Erfolgsfaktoren von Organisationen in Zukunft. Eine regelmässige und intensive Auseinandersetzung damit ist ein Muss für alle Führungskräfte, ob strategisch oder operativ. Es ist die Basis für den Erfolg von Transformationen.
Die vier Führungsmodelle
Situative Führung bedeutet: Ich wende je nach Situation ein bestimmtes, bewusst überlegtes Führungsmodell an. Grundsätzlich lassen sich vier Führungsmodelle unterscheiden:
- Telling: Ich entscheide allein und beziehe niemanden mit ein.
- Selling: Ich verkaufe meinen Entscheid, sodass die anderen diesem zustimmen (müssen).
- Consulting: Ich berate meine Mitarbeitenden hinsichtlich einer (meines Erachtens) guten Lösung.
- Co-Creation: Der Entscheid/eine Lösung wird gemeinsam herbeigeführt, möglichst bewusst ohne mich als Führungsperson. Dieser Führungsansatz setzt eine hohe Befähigung von Mitarbeitenden und eine grosse Reife von Teams voraus.
Weit entwickelte Führungskräfte haben in ihren Organisationen einen hohen Anteil an Entscheiden, die durch CoCreation herbeigeführt werden. Der Anteil insbesondere von Telling und Selling ist gering. Nichtsdestotrotz gibt es Situationen, in denen es sinnvoll ist, ein Telling anzuwenden z.B. bei personellen Entscheiden, oder dies wird sogar von den Mitarbeitenden erwartet. Es stellt sich die Frage, welche Tragweite die Entscheide haben. Je bedeutender die Entscheide sind, desto eher liegt das Führungsmodell bei Co-Creation ganz im Sinne von: Mach Betroffene zu Beteiligten. Damit ersparen wir Führungskräfte uns so manchen unnötigen Widerstand.
Wieso sind Ansätze wie Telling und Selling tendenziell ein Problem insbesondere in Transformationsphasen? Sie führen zu maximaler Reaktanz, sprich Widerstand. Hingehen führt Co-Creation zu maximaler Beteiligung, Motivation und Bereitschaft zur Veränderung. Dieser Ansatz verlangt aber deutlich mehr Fähigkeiten von meinen Mitarbeitenden und von mir als Führungsperson. Leadership heisst deshalb zunehmend: Befähigung und Förderung der Skills unserer Mitarbeitenden und immer weniger selbst Entscheidungen treffen (siehe Abbildung 1).
Eigene Persönlichkeit verstehen
Was ist der Anfang von Leadership? Wie beginne ich, wenn ich mich systematisch mit meinen Führungsqualitäten auseinandersetzen möchte? Bei der Ausprägung meiner Persönlichkeit. Bei mir selbst. Denn nur wer sich selbst gut kennt, kann daran arbeiten und situativ angepasst führen.
Ich empfehle jeder Führungspersönlichkeit, sich periodisch mit der eigenen Persönlichkeit auseinanderzusetzen. Ein erstes Mal ist es sinnvoll, dies systematisch mit einem Persönlichkeitstest zu tun. Dazu gibt es neben DISG z.B. auch die Persönlichkeitsprofile von MyersBriggs (Anm.: die Wissenschaft diskutiert die einzelnen Ansätze teils kontrovers, oft sind diese aber gut, um ein Verständnis von sich selbst zu erhalten).
Der Vorteil ist, dass man auch andere Persönlichkeitsprofile kennenlernt und damit auch Mitarbeitende besser versteht. Es lohnt sich, sein eigenes Persönlichkeitsprofil mit Vertrauenspersonen innerhalb oder ausserhalb des Unternehmens zu diskutieren und dadurch eine Aussensicht einzuholen.
Aus diesen Erkenntnissen ist nun der nächste Schritt, eine eigene Leadershipmarke, abzuleiten. Wie möchte ich als Führungsperson sein? Wo habe ich Veränderungsbedarf aufgrund meines Persönlichkeitsprofils? Konkret bedeutet das: Inwiefern sollte ich meine Wertehaltung verändern, um meine Leadershipmarke zu erreichen? Welche Prinzipien muss ich wie verändern, und wie gibt es Anpassungsbedarf bei meiner mentalen Stärke (siehe Abbildung 2)?
Wie jede Vision brauche ich bei meiner Leadershipmarke klare Ziele und Termine, an denen ich mich selbst bezüglich der Umsetzung kontrolliere. Bevor wir uns der Führung in Transformationsphasen widmen, ein paar wichtige Aspekte einer Führungsperson.
Abbildung 1: Die vier Führungsmodelle
Abbildung 2: Vision zur innovativen Führungspersönlichkeit
Authentisch und berechenbar
Wie reagieren wir, wenn wir bei einem Vorgesetzten oft nicht sicher sind, wie er in gewissen Situationen reagiert? Was bedeutet es für uns, wenn er sich uns gegenüber nicht so gibt, wie er ist?
Es stört uns und macht uns unsicher. Es bremst uns in unserer Schaffenskraft. Wir werden zurückhaltend bei Entscheiden. Deshalb gilt für Leader, ob Verwaltungsrat, CEO oder Teamleiter, gegenüber den Mitarbeitenden das Maxim authentisch und absolut berechenbar im Denken, Fühlen und Handeln. Das ist keine Schwäche, sondern schafft Vertrauen und macht nahbar.
Die wichtigste Frage
Kennen Sie die wichtigste Frage im Leadership? Sie lautet: «Wo (oder wie) kann ich dich unterstützen?» Jetzt denken Sie allenfalls, wieso soll ich die Arbeit für meine Mitarbeitenden erledigen? Genau das sollte ein Leader nicht machen. Da haben Sie recht. Wenn Sie Ihren Mitarbeitenden sagen, ich unterstütze Sie, dann bedeutet das Empowerment: «Ich befähige dich, gute Entscheide zu treffen», «Ich fördere dich», «Ich bin dein Sparringspartner». Dabei bleibt der Ball beim Mitarbeitenden, aber Sie helfen ihm, diesen zu jonglieren.
Die Kraft der Vision und der gelebten Werte
Je mehr man sich aus den Entscheidungsprozessen als Leader herausnimmt, desto mehr verlangt es von mir, dass ich meine Vision verständlich und regelmässig kommuniziere und diskutiere.
Wie sollen Mitarbeitende die Entscheide im Sinne des Unternehmens treffen, wenn sie nur einen Teil der Entscheidungsgrundlagen haben und gegebenfalls gar nicht genau wissen, wie das Unternehmen in Zukunft sein soll und welches die strategischen Ziele sind?
Machen Sie ein Experiment: Fragen Sie Ihre Mitarbeitenden spontan bei einem Kaffee, ob sie Ihnen die langfristige Vision des Gesamtunternehmens in ein paar Sätzen erklären können.
Obwohl ich persönlich in meinem Unternehmen oft über die Vision spreche, habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass auch die engsten Mitarbeitenden sich schwertun, die langfristige Vision des Unternehmens in eigenen Worten zu erklären.
Eine Transformation erfolgreich meistern
Zu Beginn einer Transformationsphase sind wir Führungskräfte gefordert, eine gewisse Dringlichkeit (sense of urgency) bei unseren Mitarbeitenden zu schaffen. Dabei ist wichtig zu betonen, woher wir kommen, und das System dort abzuholen, wo es steht. Mit dem Sense of Urgency zeige ich auf, wieso es Veränderung braucht und in welche Richtung diese geht.
Deshalb: Vermitteln Sie den Sinn der Veränderung, und das in wenigen, aktivierenden und zugleich motivierenden Worten. Zeigen Sie dabei auch transparent auf, wo Sie als Führungsperson selbst unsicher sind, z.B. aufgrund von begrenzten Informationen im Sinne der Authentizität.
Ein zweiter wichtiger Aspekt ist die Etappierung. Wie ist der Ausgangszustand der Organisation und der beteiligten Menschen? Wie soll der Transformationszustand sein? Wie ist der gewünschte Zukunftszustand? Schreiben Sie das für sich auf und besprechen Sie es mit einem engen Mitarbeitenden. Berücksichtigen Sie: Transformation heisst nicht nur lernen, sondern auch verlernen und Erfahrungen loslassen. Dieser Prozess braucht Zeit und Geduld.
Sekundäre Organisation und Vorbeugen von Widerstand
Zwei Dinge sind bei einem Transformationsprozess besonders gut im Auge zu behalten: Die sekundäre Organisation und die Vorbeugung von Widerstand durch Koalitionen im Unternehmen.
Die offene, primäre Organisationsform ist oft in einem Organisationsreglement und anderen Reglementen umschrieben, bildlich dargestellt die Spitze des Eisbergs. Jede Organisation kennt aber auch eine verborgene, sekundäre Organisationsform. Diese besteht aus informellen Werten und Prozessen und bildet den Teil des Eisbergs unter der Wasseroberfläche. Diese ist oft viel umfassender und damit auch mächtiger als die primäre. Amüsante Beispiele sind: Der Chef hat das grösste Büro. Oder: Der Parkplatz vor dem Haus ist für den Chef reserviert (entweder implizit oder explizit z.B. durch eine Beschriftung). Das steht nirgends in einem Reglement, ist aber trotzdem allen im Unternehmen bekannt. Was bedeutet die sekundäre Organisationsform für Transformationsprozesse? Sie sind Teil der Ausgangslage und müssen bewusst mitverändert werden. Vernachlässigt man diesen Teil der Organisation, ist Widerstand durch die Betroffenen wahrscheinlich.
Jede Transformation wird Befürworter und Gegner haben, entweder passiv oder aktiv. Der passive Teil ist oft der grösste. In vielen Unternehmen gibt es zudem Meinungsbildner und graue Eminenzen. Es ist ratsam, diese Personen mit an Bord zu holen und mit ihnen frühzeitig Koalitionen zu bilden. Denn sie sind Katalysatoren für die Transformation oder im schlechten Fall Hindernisse.
Schliesslich ist es ein zentraler Teil eines erfolgreichen Transformationsprozesses, regelmässig über die Vision zu sprechen, die erreichten (Teil-)Ergebnisse zu würdigen und für alle transparent zu machen. Leader brauchen deshalb besondere Kommunikationsfähigkeiten.
Take-aways
- Gute Leader kennen ihre eigene Persönlichkeit und arbeiten gezielt an ihrer Leadershipmarke. Sie holen sich regelmässig Feedback ein und überprüfen die persönliche Zielerreichung.
- Sie kennen die Führungsmodelle und wenden diese situativ und bewusst an.
- Sie sind sich der sekundären Organisationsform ihrer Organisation bewusst und berücksichtigen diese beim Transformationsprozess.
- Sie machen Betroffene konsequent zu Beteiligten und kommunizieren während des Transformationsprozesses regelmässig die Vision wie auch die (Teil-)Ergebnisse.
Matteo Aepli
Matteo Aepli, Dr. sc. ETH, EMBA HSG, ist CEO von SUISAG, einem international tätigen KMU und mit seinem Beratungsunternehmen spezialisiert auf Transformation von Unternehmen und M&A im Lebensmittelbereich. www.suisag.ch
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