
Die folgende Abhandlung basiert auf der eigenen praktischen Erfahrung und richtet sich u. a. an Verwaltungsräte, welche zum ersten Mal mit dem Thema M&A (Mergers & Acquisitions) konfrontiert werden. Der Fokus liegt dabei auf nicht kotierten KMU.
Von Stephan Frey
Einleitung
Aus der Strategie, für welche primär der Verwaltungsrat verantwortlich ist, entsteht die Idee einer Unternehmens-transaktion. Gründe dafür sind etwa eine Nachfolgeregelung, anorganisches Wachstum, Gebietserweiterung, Produk-terweiterung, Diversifikation, Abstossen unrentabler Teile, Opportunität, Konsolidierung, Fokussierung oder Aufbau von Know-how. Während des ganzen M&A-Prozesses soll der Verwaltungs- rat integriert sein, wobei die Tiefe seiner Involvierung gegen Ende des Prozesses tendenziell zunimmt. In kleineren Unter- nehmen ist der VR oft sogar im «driving seat». Es empfiehlt sich, dass der VR eine kritische Haltung einnimmt und neben den Chancen auch die Risiken betrach- tet. Wird eine Akquisition durch den CEO getrieben, dann ist dieser oft mit der «ro- saroten Brille» unterwegs und möchte den Abschluss um fast jeden Preis, weil er möglicherweise einen zusätzlichen Bonus dafür erhält.
Je nach Komplexität der Transaktion ist zu überlegen, ob externe Spezialisten beigezogen werden sollen. Diese kom- men vor allem für die «Due Diligence», also die Bewertung und Vertragsge- staltung zum Einsatz. Gefragt sind hier hauptsächlich Juristen und Treuhänder, allenfalls spezifische Experten, etwa zur Beurteilung von Software, Patenten, Steuern etc. Der M&A-Prozess lässt sich grob etwa folgendermassen beschrei- ben, wobei vor allem die Schritte 2, 3 und 4 auch in anderer Reihenfolge prak- tiziert werden können:
- Suche und Erstbeurteilung/Absichts- erklärung (LOI)/Strukturierung (Deal Search)
- Evaluation und sorgfältige Prüfung (Due Diligence)
- Bewertung, Preisbestimmung und-modell/Finanzierung
- Vertragsverhandlung und -gestal- tung (Deal Negotiation, Contract)
- Transaktion (Signing, Closing)
- Integration und Überwachung (Post Merger Integration and Monitoring)
Der Prozess von der Erstbeurteilung bis und mit «Closing» dauert im KMU- Umfeld gut und gerne etwa sechs bis 18 Monate, was für den VR eine inten- sivere Belastung als üblich bedeutet. Im Folgenden soll auf die einzelnen Schritte eingegangen werden.
1. Suche und Erstbeurteilung, Absichtserklärung und Strukturierung
An ein konkretes Objekt gelangt man auf verschiedene Art und Weise. Zum Beispiel im Rahmen einer langjährigen Zusammenarbeit mit dem «Target», Di- rektansprache (oft mit dem Ziel einer bi- lateralen bzw. exklusiven Verhandlung) oder einer (öffentlichen) Auktion, in wel- cher mehrere potenzielle Interessenten mitbieten werden. Für die Objektsuche im KMU-Umfeld existieren verschiedene Online-(Internetmarktplätze für Unter- nehmensnachfolgen) und Offline-Platt- formen (Branchenzeitschriften, Unter- nehmernetzwerke von Banken). Zudem gibt es zahlreiche Treuhandbüros, welche sich auf M&A-Transaktionen spezialisiert haben – die Pflege des Netzwerks (etwa an Konferenzen oder in Branchenver- bänden) und die generelle Interessens- bekundung im persönlichen Umfeld kön- nen hier hilfreich sein. Wieso auch nicht Social Media verwenden und konkret formulieren («posten»), dass man auf der Suche nach einer Firma zur Übernahme oder Nachfolgeregelung ist?
Ist ein (oder sind mehrere) Objekt(e) ge- funden, ist eine Erstbeurteilung durch- zuführen. Passt dies in unsere Strategie? Sind ähnliche Unternehmenskulturen vorhanden? Welchen Ruf hat das Ob- jekt? Passt mir das Gegenüber (Verkäu- fer, Investor)? Was sagt mein Bauch? Stichwort Synergien: Diese sind meiner Meinung nach oft sehr schwer zu bezif- fern und nach dem Deal zu kontrollieren. Wie wird die Transaktion beurteilt, wenn die Synergien ausgeblendet werden?
Oft lässt sich mit dem Gegenüber nach einer schriftlichen Geheimhaltungser- klärung (NDA, Non Disclosure Agree- ment) inklusive Nicht-Abwerbeklausel von Mitarbeitern eine Absichtserklärung (LOI, Letter of Intent) unterzeichnen, in welcher sich die groben Züge des
«Deals» in einer ersten Grössenordung des Preises festhalten lassen. Wenn möglich ist eine Exklusivität für eine ge- wisse Zeitspanne auszuhandeln. Oft Be- standteil des LOI ist eine Regelung dar- über, welche Partei welche Kosten trägt und was die Konsequenzen bei einem Verhandlungsabbruch sind (z. B. eine Strafzahlung). Ein Zeitplan und der Ab- lauf der Due Diligence sind ebenfalls zu definieren.
Parallel dazu hat sich der Verwaltungs- rat im Klaren zu sein, wie der Deal struk-turiert wird. Zum Beispiel innerhalb einer Firmengruppe oder Holding stellt sich die Frage: Wer übernimmt? Wird ein Asset Deal bevorzugt (beispielsweise, weil in der gesamten AG zu viele Risiken vorhanden sind oder man bewusst nur gewisse Teile herauslösen möchte), oder werden die Aktien und somit das Unter- nehmen als Ganzes erworben? Weiter sollten die Grundzüge der Finanzierung geklärt werden. Dazu gehören Abklä- rungen über die eigenen freien Mittel, Kapitalerhöhungen, Co-Investoren oder Fremdfinanzierung.
2. Evaluation und sorgfältige Prüfung
Im Rahmen der Evaluation geht es da- rum, den Wissensstand abzugleichen und Informationsasymmetrien mög- lichst zu reduzieren. Lücken zur umfas- senden Beurteilung einer möglichen Transaktion sind so gut wie realisierbar zu schliessen. In der sorgfältigen Prü- fung (Due Diligence) sind Risiken zu identifizieren und möglichst zu quan- tifizieren (möglicher Einfluss auf den Transaktionspreis) und/oder zu reduzie- ren. Die Due Diligence liefert wichtigen Input für den Bereich Gewährleistungen des Kaufvertrags (z. B. Ausgang/Kosten eines laufenden Rechtsverfahrens auf Gegenpartei abwälzen).
Es gibt sehr gute Checklisten, die helfen, die relevanten Punkte zu durchleuchten. Im Vordergrund stehen: Finanzen, Marktund Kunde, Steuern, Rechtliches, Versi- cherungen, Personal, Assets und Tech- nologie.
3. Bewertung, Preisbestimmung und -modell/Finanzierung
Die Due Diligence liefert wichtigen Input für die Unternehmensbewertung und schlussendlich die Preisbestimmung. Eine Rolle spielen auch der Transakti- onsmarkt sowie der Wirtschaftszyklus – in einer Hausse sind die Preise eher hoch, in der Baisse dafür günstiger. Im- mer mehr Anlagekapital fliesst zudem den Private-Equity-Häusern zu, welche in der Folge wiederum nach geeigneten Kaufobjekten Ausschau halten und ver- mehrt in KMU investieren.
Die Unternehmensbewertung ist ein Kapitel für sich und kann hier nur kurz angesprochen werden. Es existieren verschiedene Modelle zur Wertbestim- mung, dazu gehören die DCF-Methode (Discounted Cashflow), Multiples (von Umsatz, EBITDA), Benchmarking mit ähnlichen Unternehmen oder vergleich- baren Transaktionen, Kapitalkosten (WACC, Weighted Average Cost of Ca- pital) sowie die adjustierte Buchwertbe- stimmung. Im Schweizer KMU-Umfeld kommt oft die «Praktikermethode» – auch Mittelwertmethode genannt – zum Einsatz. Diese findet auch zur Steuerwertbestimmung Anwendung (2 × Ertragswert + 1 × Substanzwert, 2 × aktuelles Jahr + 1 × Vorjahr). Für Multi- ples – welche gerne von Private-Equity- Gesellschaften angewendet werden – existieren gut zugängliche Tabellen mit üblichen Branchenwerten.
In der Praxis zeigt sich, dass für die Be- stimmung des Unternehmenswerts am besten mehrere Methoden («Football Field») mit entsprechenden Bandbrei- ten kombiniert werden und man dann mit konkreten Vorstellungen (als Käufer so z. B. mit dem Ansatz der tiefsten ge- meinsamen Bewertung aller Modelle) in Verhandlungen mit der anderen Partei tritt. Hilfreich ist, wenn man sich für die Verhandlung folgendes Motto verinner- licht: «wir können und wollen, müssen aber nicht».
Zu bestimmen ist zudem das Zahlungs- modell, welches oft einen Fixpreis so- wie variable Komponenten beinhaltet. Der variable Teil wird üblicherweise erst über die Zeit und zudem ziel- bzw. er- folgsabhängig vergütet («Earn-out»). In meiner Praxis habe ich positive Erfah- rung mit folgendem oder ähnlichem Modell gemacht (siehe Tabelle 1).
Intern ist die Finanzierung sicherzustel- len, so muss auch die Liquidität für die vereinbarten Zahlungstermine zur Ver- fügung stehen. Die Gelder können zum Beispiel über freie Mittel, eine Kapitaler- höhung, Holdingdarlehen oder Fremd- kapital (Bankkredit) finanziert werden. Wieso nicht auch eine neue Finanzie- rungsform wie Crowd Lending via Inter- netplattform prüfen? Bei nicht kotierten KMU ist die Finanzierung über einen Akti- entausch oder Obligationen eher selten.
4. Vertragsverhandlung und -gestaltung
Im Folgenden ist der Transaktionsvertrag zu erstellen. Es empfiehlt sich, wenn möglich, die Vertragserstellung selbst zu übernehmen und nicht der anderen Partei zu überlassen (das ist wie beim Protokollieren: wer schreibt, der führt). Folgende Auflistung dient als mögliches Gerüst für die Ausformulierung eines Aktienkaufvertrags:
- Aktienkaufvertrag
- Parteien
- Präambel
- Vertragsgegenstand/Kaufgegenstand
- Kaufpreis
- Vollzugshandlungen («closing»)
- Gewährleistungen und Zusicherun- gen des Verkäufers
- Bestätigung und Garantien seitens Käufer
- weitere und spezielle Vertrags- bestimmungen
- Schlussbestimmungen
- Ort, Datum, Unterschriften
Parallel zum Transaktionsvertrag sind möglicherweise weitere Verträge, etwa mit den Geldgebern (finanzierende Bank, Erhöhung Hypothek, Holding- Darlehen etc.), zu verhandeln und zu unterzeichnen.
| Kaufpreis | Fixpreis | Substanzwert | sofort |
| Goodwill | sofort | ||
| Earn-out | x% des Umsatzes | über 3 Jahre | |
| y% des EBIT | über 3 Jahre |
Tabelle 1: Finanzierung mit festem und variablem Anteil
5. Transaktion
Haben sich die Parteien auf einen Vertragstext geeinigt, kommt es zur Unterzeichnung des Transaktionsvertrags (Signing). Im Vertrag sind die Vollzugs- handlungen und -bedingungen festge- halten. Je nach Komplexität der Trans- aktion kann das «Closing» mit dem «Signing» (kleine, simple Firma) zusam- menfallen, oder es können mehrere Mo- nate dazwischenliegen (z. B. bei einer nötigen Zustimmung der Wettbewerbs- behörde).
Zur Vollzugshandlung gehört oft das sofortige Abhalten einer ausserordentli- chen Generalversammlung zur Bestim- mung des neuen Verwaltungsrats und der Entlastung des bisherigen. Sollen die Statuten angepasst werden, ist zwin- gend ein Notar beizuziehen. Der ausser- ordentlichen Generalversammlung folgt häufig eine erste Verwaltungsratssitzung in der neuen Konstellation, etwa zur De- finition der Zeichnungsberechtigungen, oder um das Geschäftsjahr mit dem der Muttergesellschaft zu synchronisieren.
Parallel dazu ist zwingend die Kommuni- kation sauber vorzubereiten – und zwar die interne (Mitarbeiter) sowie externe (Kunden, evtl. Presse etc.). Solche Trans- aktionen führen oft zu Unsicherheiten und komischen Gefühlen bei Mitarbeitern und Kunden. Die Stakeholder mit einer vertrauenswürdigen und positiven «Sto- ry» ins Boot zu holen, ist daher essenziell.
Feste soll man feiern, wie sie fallen, be- sagt ein Sprichwort. Für einen gelunge- nen Deal gilt dies ebenfalls. Nach einer Firmenübernahme ist zudem ein spe- zieller Willkommensanlass und/oder ein kleines Willkommenspräsent für die neuen Kollegen ins Auge zu fassen. Wie bereits erwähnt: Wir müssen die «Neuen» für uns begeistern und gewinnen, nur so stellt sich nachhaltig Erfolg ein. Mit ei- ner positiven Grundstimmung legen wir hoffentlich das Fundament für eine gute und möglichst reibungslose Integration.
6. Integration und Überwachung
Der erfolgreichen Integration ist min- destens so viel Gewicht zu geben wie der ganzen Transaktionsarbeit zuvor. Es nützt nichts, wenn einem kurz nach der Transaktion die Mitarbeiter davon- laufen oder die Kunden zur Konkurrenz gelockt werden. Es ist speziell auch da- rauf zu achten, die Stakeholder nicht zu überfordern. Jetzt benötigt es gute «Soft Skills», Taktgefühl, Menschenverstand und Projektleitungserfahrung.
Für die einzelnen Integrationsarbeiten benötigt es klare Verantwortlichkeiten, und die Gesamtleitung sollte möglichst weit oben in der operativen Organisa- tion angesiedelt werden. Es empfiehlt sich, eine Integrations-Checkliste zu erstellen, welche dem Monitoring und Controlling dient. Der Verwaltungsrat soll sich regelmässig Rechenschaft über den Integrationsprozess geben lassen und nötigenfalls gegensteuern. M&A- Projekte gehören zu den spannenden Aufgaben eines Verwaltungsrats und definitiv nicht zu den Routinetätigkei- ten oder Standardtraktanden. Ob eine Transaktion erfolgreich wird, hängt pri- mär vom Integrationsprozess ab, wel- cher sehr aufwendig ist und nie unter- schätzt werden sollte.
Stephan Frey
Stephan Frey, unabhängiger Verwaltungsrat, dipl. El. Ing. HTL/EMBA/CAS VR, begleitet Sie und Ihre Firma in jeder Phase des Unternehmenszyklus als unabhängiger, externer und zertifizierter Verwaltungsrat oder Beirat. Dabei baut er auf seiner umfassenden unternehmerischen, operativen und strate- gischen Führungserfahrung auf. Hohes Fachwissen und menschliche Kompetenz runden sein Profil ab. www.stephanfrey.ch
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